Immer häufiger ist zu hören und zu lesen, wie wichtig eine «konstruktive Fehlerkultur» im Unternehmen sei. Doch was ist eigentlich ein Fehler? Was ist mit «Fehlerkultur» genau gemeint? Und wie können Führungskräfte eine offene Fehlerkultur in ihrem Berufsalltag etablieren und vorleben? In diesem Artikel gehen wir diesen Fragen auf den Grund.
Fehler & Fehlerkultur: Definition
Was ist ein Fehler?
Laut Duden ist ein Fehler «etwas, was falsch ist, vom Richtigen abweicht; [eine] Unrichtigkeit» oder auch «[eine] irrtümliche Entscheidung, Massnahme; [ein] Fehlgriff».
«Für mich ist ein Fehler in erster Linie die Differenz zwischen dem Ist-Zustand und dem Soll-Zustand», erklärt Dr. Oliver Mattmann, Geschäftsführer der PBT AG.
Was bedeutet Fehlerkultur?
Die Definition von «Fehlerkultur» gemäss Duden lautet wie folgt:
(offene, konstruktive) Art des Umgangs mit Fehlern, Verfehlungen
Was ist eine Null-Fehler-Strategie?
Die Idee einer (fehlenden) Fehlerkultur ist nicht zu verwechseln mit einer Null-Fehler-Strategie. Bei Letzterem handelt es sich um einen Ansatz der absoluten Qualität ohne Toleranz für Abweichungen (also Ausschuss), wie das beispielsweise bei Produkten der Medizintechnik oder Rüstungsindustrie nötig ist.
Wie definieren wir «Fehler»?
Entsprechend könnte auch eine Überlegung wert sein, was im Unternehmen überhaupt als Fehler definiert wird. Vielleicht sind «echte Fehler» nur im Produktionsprozess oder sonstigen festgelegten Abläufen möglich, also dort, wo genaue Anleitungen, Beschreibungen, Prozessdefinitionen oder auch technische Spezifikationen vorhanden sind.
Ausserhalb dieses Bereichs, beispielsweise bei Projekten, Transformationsvorhaben oder Ähnlichem könnte hingegen von «Experimenten» oder «Versuchen» gesprochen werden.
So kann auch ein Unternehmen mit Null-Fehler-Strategie (in der Produktion) eine offene und konstruktive Fehlerkultur (in Projekten und betrieblichen Prozessen) verfolgen.
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Fehlerkultur etablieren: 5 Herausforderungen & Hürden
Der Begriff der Fehlerkultur ist wie bereits erwähnt in aller Munde und immer mehr Organisationen und Führungskräfte sind sich der Tatsache bewusst, dass es sinnvoll wäre, eine solche zu etablieren.
Doch das ist leichter gesagt als getan. Die folgenden fünf Herausforderungen und Hindernisse können bei der Entwicklung einer konstruktiven Fehlerkultur auftreten:
1. Fehlendes Verständnis für den Wert von Fehlern
Die erste Hürde hängt direkt mit der Definition von Fehlern zusammen. Denn wir bekommen von klein auf gesagt, dass Fehler etwas Schlechtes und unbedingt zu vermeiden seien. Nur selten assoziieren wir den Begriff «Fehler» mit etwas Positivem wie «Chance».
In einer offenen Fehlerkultur sind (vermeintliche) Fehler aber genau das: Lern- und Wachstumschancen.
2. Angst vor Bestrafung
Eine weitere Herausforderung findet sich bei den Mitarbeitenden, denn wir werden so sozialisiert, dass wir Fehler fast automatisch mit negativen Konsequenzen verbinden (z. B. schlechte Noten in der Schule oder Universität oder später dann Schelte, Abmahnung oder gar Kündigung).
Wenn Mitarbeitende also Angst haben, dass Fehler zu Sanktionen oder beruflichen Nachteilen führen könnten, werden sie wohl eher versuchen, diese zu vermeiden oder zu vertuschen.
3. Mangelnde Offenheit und Kommunikation
Ohne offene Kommunikation ist keine konstruktive Fehlerkultur in Unternehmen möglich. Denn wenn es keinen Austausch über Art und Ursache von Fehlern gibt, entsteht auch kein Raum zur Reflexion.
Diese ist jedoch entscheidend, um aus Fehlern zu lernen und die Arbeitsweise, die Prozesse, das fehlerhafte Verhalten zu verbessern.
Leadership ist in aller Munde, doch was bedeutet das eigentlich? Und wofür soll es gut sein? In diesem Beitrag erklären wir alles rund um den Begriff und die Aufgaben eines Leaders.
4. Mangelnde Zeit und Ressourcen
Doch diese so wichtige Reflexion kann nur stattfinden, wenn dafür auch genügend Zeit und Raum vorhanden sind.
Häufig fehlt es den Führungskräften und Mitarbeitenden an Ressourcen und geeigneten Gefässen, um Fehler zu analysieren, daraus zu lernen und entsprechend Verbesserungsmassnahmen auf den Weg zu bringen.
Nur wenn Fehler systematisch aufgearbeitet werden können, entstehen daraus Lernchancen.
5. Fehlende systemische Unterstützung
Dies führt uns auch schon zum nächsten und letzten Hindernis, nämlich der Frage: Finde ich in meinem Unternehmen die nötigen Voraussetzungen vor, um eine effektive Fehlerkultur zu etablieren?
Fehlt es an Unterstützung «von oben» oder aus dem Team, kann es für einzelne Führungskräfte schwierig sein, eine konstruktive Fehlerkultur im eigenen Team aufzubauen.
Idealerweise wird eine offene Fehler- und Feedbackkultur also auf allen Ebenen der Organisation gelebt, einschliesslich klaren Richtlinien und Verfahren fürs Fehlermanagement sowie Ressourcen zur Prävention und Analyse von Fehlern.
Konsequenzen einer mangelnden Fehlerkultur im Unternehmen
Wenn die genannten Hürden dazu führen, dass im Unternehmen keine Fehler toleriert werden, hat das fatale Folgen:
Wenn wir als Führungskräfte keine Fehler zulassen, erhalten wir Dienst nach Vorschrift und es findet keine Entwicklung statt. Für echtes Wachstum müssen wir unsere Komfortzone verlassen – und dort kann es nun mal sein, dass wir Fehler machen.
Die gute Nachricht ist: Diese Hindernisse sind überwindbar, wenn sich eine Organisation eine positive Fehlerkultur auf die Fahnen schreibt und entsprechende Massnahmen ergreift.
Wird diese Strategie kommuniziert und im Berufsalltag vorgelebt, findet mit der Zeit ein Kultur- und Bewusstseinswandel statt – und die konstruktive Fehlerkultur wird von allen mitgetragen und gelebt.
Für Führungskräfte: 3 Massnahmen, um eine konstruktive Fehlerkultur im Unternehmen zu etablieren
Manche Voraussetzungen für eine konstruktive Fehlerkultur, wie beispielsweise Leitlinien, Prozesse fürs Fehlermanagement und entsprechende Ressourcen, sind idealerweise von der Organisationsleitung gegeben. Auf Abteilungs-, Team- oder Projektebene gibt es aber auch ganz konkrete Verhaltensweisen, die Sie als Führungskraft tagtäglich vorleben können.
Bedränge nicht den Menschen, bedränge das System. Nur so werden aus kostspieligen und zeitraubenden Fehlern echte Lernchancen mit Entwicklungspotenzial.
In diesem Beitrag gehen wir der Frage auf den Grund, was es braucht, um eine gute Führungskraft zu werden – und ob Leadership reines Talent oder erlernbar ist.
1. Fehler als Lernchance betrachten
Betrachten Sie Fehler als Lernchance, und nicht als Zeichen von Versagen. Helfen Sie Ihren Mitarbeitenden, aus Fehlern zu lernen, indem Sie Fragen stellen wie: «Was kannst du aus diesem Fehler lernen?» oder «Welche Schritte kannst du unternehmen, um ähnliche Fehler in Zukunft zu vermeiden?»
Fördern Sie eine lösungsorientierte Denkweise und ermutigen Sie Ihre Mitarbeitenden, alternative Ansätze zu entwickeln, um aus Fehlern zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Dazu kann auch gehören, sich – wo immer möglich – vom Begriff «Fehler» zu lösen und stattdessen positiver besetzte Wörter wie «Experiment», «Versuch» oder sogar «Spielfeld» zu verwenden.
Wachstum und persönliche Entwicklungen finden statt, wenn wir unsere Komfortzone verlassen und uns ausserhalb der aktuellen Grenzen bewegen.
2. Offene Kommunikation und Feedbackkultur
Schaffen Sie einen sicheren Raum für offene Kommunikation, in dem Mitarbeitende sich frei fühlen, Fehler anzusprechen und darüber zu berichten. Ermutigen Sie Ihr Team, ehrliches Feedback zu geben und Erfahrungen zu teilen, um daraus zu lernen.
Suchen Sie aktiv das Gespräch, hören Sie gut zu, zeigen Sie Verständnis und reagieren Sie auf konstruktive Weise, um eine offene und vertrauensvolle Fehlerkultur zu fördern und Ihren Mitarbeitenden die Angst vor Fehlern und negativen Folgen zu nehmen.
Dazu können Sie zum Beispiel auch regelmässig die Leistung ihrer Mitarbeitenden kontrollieren und in Mitarbeitergesprächen reflektieren. Doch Achtung: Suchen Sie dabei nicht nur nach Fehlern, sondern auch nach konkreten Anlässen zum Loben!
Nur so werden sich Ihre Mitarbeitenden trauen, sich zu öffnen und (vermeintliche) Fehler als Wachstumschance wahrnehmen. Ausserdem sind sie so sicher auch motivierter, Neues auszuprobieren und sich weiterzuentwickeln.
3. Vorbild sein und Verantwortung übernehmen
Damit eine offene Fehlerkultur im Unternehmen entstehen kann, ist es entscheidend, dass Sie als Führungskraft mit gutem Beispiel vorangehen. Übernehmen Sie Verantwortung für eigene Fehler. So zeigen Sie Ihren Mitarbeitern, dass es in Ordnung ist, Fehler zu machen, solange man dazu steht, offen kommuniziert und daraus lernt.
So können Sie eine konstruktive Fehler- und Feedbackkultur etablieren und ein positives Teamgefühl und Umfeld schaffen, in dem Fehler als normale und wachstumsfördernde Erfahrungen angesehen werden.
Checkliste: 3 Schritte für einen positiven Umgang mit Fehlern
Bei allen Vorkehrungen und Präventionsmassnahmen: Fehler passieren. Wichtig ist, dass wir wissen, wie wir damit umgehen. Mit unserer Checkliste können Sie sofort angemessen auf Fehler reagieren und möglichst viel daraus lernen.
1. Sagen Sie erst einmal «Ja» zur Soll/Ist-Differenz.
Der Fehler ist passiert und kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Es bringt nichts, sich aufzuregen. Im Gegenteil: Es verbraucht nur eigene Lebensenergie. Nun ist der Blick nach vorne gerichtet.
2. Stufen Sie den Fehler richtig ein.
Überlegen Sie: War das ein einmaliger Ausrutscher, und die betreffende Person weiss schon selbst, warum der Fehler passiert ist und wie er in Zukunft verhindert werden kann? Dann genügt vielleicht ein kurzes Gespräch.
Gibt es dagegen ein grundlegendes Problem oder Missverständnis, das beseitigt werden muss, damit der Fehler nicht noch mal passiert, folgt Schritt 3.
3. Überlegen Sie, welche Veränderungen und Reaktionen sinnvoll sind.
> Was wird organisatorisch, prozesstechnisch verändert, damit der Fehler zukünftig nicht mehr passiert?
> Was ändere ich als Führungskraft im Umgang mit diesem Fehler und betroffenen Personen?
> Was ändert der oder die Mitarbeitende in seinem oder ihrem Verhalten, damit dieser Fehler nicht mehr entsteht?
Wir wünschen viel Erfolg beim Etablieren einer konstruktiven Fehlerkultur und ganz viele Experimente mit Entwicklungspotenzial!
Sie wollen Ihre Führungsfähigkeiten weiterentwickeln? In unserem Führungstraining können die Trainingsteilnehmenden durch laufende Standortbestimmungen den Wirkungsgrad ihrer Führungsfähigkeiten überprüfen und direkt in der Praxis anwenden!
Quellen
- Peter Beglinger Training AG: Arbeitsunterlagen und Trainingsinhalte von Dr. Oliver Mattmann
- Duden-Einträge: Fehler und Fehlerkultur, https://www.duden.de/suchen/dudenonline/fehler resp. https://www.duden.de/suchen/dudenonline/fehlerkultur (aufgerufen am 17.05.2023)
- Löber, Nils (2012): Theoretische Grundlagen zur Fehlerkultur, In: «Fehler und Fehlerkultur im Krankenhaus», Wiesbaden: Gabler Verlag, https://doi.org/10.1007/978-3-8349-7106-7_5 (aufgerufen am 17.05.2023)